Freitag, 26. Februar 2016

3. Das Presbyterium (1) – ein unbekanntes Wesen?

Übersicht
3.1 Wahlen
3.2 Unbekanntes Wesen?
3.3 Bibel
3.4 Kirchenordnung - KO -
3.5 Mitglieder
3.6 Dienstgemeinschaft und Demokratie
3.7 Presbyterial-synodale Ordnung

3.1 Wahlen

„Die Wahlbeteiligung in Manfort lag bei 0 %.“ Glücklicherweise betrifft diese Aussage nicht eine politische Wahl, sondern die zum Presbyterium unserer Kirchengemeinde im Jahre 2004. Was politisch eine gewisse Katastrophe wäre, ist aber für den Bereich der rheinischen Landeskirche durchaus rechtens.

Wie kam es zu diesem auch für die Kirche ärgerlichem Ergebnis? Trotz aller Bemühungen von Pfarrer Berghaus, vieler Mitarbeiter und nicht zuletzt auch der Presbyter waren nur wenige Gemeindemitglieder bereit, sich zur Wahl zu stellen. Die erforderliche Zahl der Kandidaten wurde nicht erreicht. In einem solchen Fall sieht die rheinische Landeskirche die Möglichkeit vor, auf eine formale Wahl zu verzichten. Wenn das Presbyterium beschließt so zu verfahren, dann „gelten“ die Kandidaten mit Abschluss des Wahltages als gewählt. Rechtlich besteht dann eine Situation, in der die Presbyter wie gewählte Mitglieder des Presbyteriums zu werten und zu behandeln sind. So ist es dann geschehen. Warum das in der Kirche anders sein kann als im politischen Leben, werden wir heute auch zu klären versuchen.

3.2 Unbekanntes Wesen?

Zunächst aber die Frage: Ist das Presbyterium ein „unbekanntes Wesen“? Liest man die Leserbriefe, die im Leverkusener Anzeiger/Kölner Stadtanzeiger im zweiten Halbjahr 2005 über unsere Kirchengemeinde erschienen, kann man den Eindruck haben, dass das so ist. Pfarrer Christenn vom Kirchenkreis hat dann auch unter der Überschrift „Im Visier: Stichwort: Presbyterium“ einen Überblick über die einschlägigen Bestimmungen der Kirchenordnung gegeben (Gemeindebrief 3/2005). Bereits im ersten Jahr nach seiner Wahl hat Pfarrer Berghaus vor der Presbyterwahl am 20.02.2000 unter der Überschrift „Presbyter und Presbyterinnen“ auf die Bedeutung und die Aufgaben des Presbyteriums hingewiesen (Gemeindebrief 4/1999). Sind das aber die Fragen, die die Leserbriefschreiber aus unserer Gemeinde – und sicher auch andere Gemeindemitglieder – heute bewegen? Ich habe den Eindruck, hier müssten wir alle mehr erfahren – die Kenntnis der Kirchenordnung reicht da nicht aus.

3.3 Bibel

Die erste Frage, die man mir stellte, lautete: Was sagt die Bibel?

In der Apostelgeschichte des Lukas wird aus der urchristlichen Gemeinde in Jerusalem berichtet, dass sich die Gemeindemitglieder so sehr auf die Verkündigung des Wortes Gottes konzentrierten, dass sie die Betreuung der Armen, besonders der griechischen Witwen und Waisen, vernachlässigten. Deshalb suchte man nach sieben Männern aus ihrer Mitte, „die einen guten Ruf haben, voll heiligen Geistes und Weisheit sind“. Man fand solche Männer und wählte sie. So entstand das Amt der sieben Armenpfleger (Apg 6,3-6). Um das Jahr 54 nach Christi Geburt schrieb der Apostel Paulus in seinem ersten Brief an die Christen in Korinth, sie sollten sich denen unterordnen, die sich für den Dienst in der Gemeinde bereit finden, und all denen, die mitarbeiten und sich mühen (1. Kor. 16,16). Hier sind keine Armenpfleger gewählt, aber es haben sich langjährige und erfahrene Gemeindemitglieder freiwillig bereit gefunden, den Dienst zu tun und für die Gemeinde zu handeln. In einigen Landeskirchen werden diese Leute auch „Gemeindeälteste“ genannt.

„Erkennt solche Leute an!“ – ist der Schlusssatz des Apostels. Das sind die Vorläufer der heutigen Kirchenvorstände oder „Presbyterien“, ein Wort, das aus dem Griechischen kommt.

3.4 Kirchenordnung - KO -

Die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR), eine der 24 Landeskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), hat sich in ihrem „Grundgesetz“, der Kirchenordnung (KO), eine Gliederung gegeben. Ausgehend von der Gemeinde mit dem Leitungsorgan „Presbyterium“ über den Kirchenkreis mit dem Leitungsgremium „Kreissynode“, vertreten durch den „Kreissynodalvorstand“ bis hin zur Landeskirche mit dem Leitungsorgan „Landessynode“, vertreten durch die „Kirchenleitung“. Das Besondere dieser Struktur ist, dass die kirchliche Ordnung auf der Gemeinde aufbaut und sich stufenweise nach „oben“ entwickelt. Dieser Grundsatz wird die „presbyterial-synodale Ordnung“ unserer Landeskirche genannt. Vom Grundsatz her liegen alle Zuständigkeiten bei der Gemeinde, wenn man so will bei dem Beschlussorgan, dem Presbyterium. Soweit eine Gemeinde bzw. die Gemeinden Aufgaben erfüllen müssen, die über ihre Möglichkeiten hinausgehen, treten die Kirchenkreise ein. Reicht auch deren Kraft nicht aus, ist die Landeskirche zuständig. Natürlich gibt es darüber hinaus auch originäre Aufgaben von Kirchenkreis und Landeskirche.

An dieser Stelle ist das „Subsidiaritätsprinzip“ zu nennen, wonach dem Einzelmenschen das, was er aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf. Die Gesellschaft, insbesondere der Staat, sollen nur helfend und unterstützend (= subsidiär) dann und dort eingreifen, wo diese Kräfte des Einzelnen nicht ausreichen.

Dieser Grundsatz wurde allgemein formuliert von Papst Pius XI. (Enzyklika „Über die gesellschaftliche Ordnung“, bekannter unter ihrem Anfang „Vierzig Jahre sind verflossen …“, lat. „Quadragesimo anno“, 15.05.1931, Ziff. 78 – 90). In diesem Grundsatz schlägt sich Luthers “Freiheit eines Christenmenschen” ebenso nieder wie Kants Aufruf “Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!” Auch in der Rechtswissenschaft hat dieser Grundsatz Gestalt bekommen (Artikel 28 und 23 Grundgesetz, § 2 Bundessozialhilfegesetz und auch im Verfassungsentwurf der Europäischen Union, Art. I-11, Abs. 3).

3.5 Mitglieder

Wir haben die Wurzeln und die Stellung des Presbyteriums in der Ordnung der EKiR kennen gelernt. Wer gehört aber nun zum Presbyterium? Zunächst einmal gehören die Presbyter dazu, einschließlich eines Presbyters aus dem Kreis der Mitarbeiter. Aber kirchenrechtlich sind die in der Gemeinde tätigen Gemeindepfarrer von Amts wegen ebenfalls Mitglieder des Presbyteriums, also „geborene“ Mitglieder. Sie sind allerdings ebenfalls gewählt, und zwar vom Presbyterium. Für ihre Wahl gilt die eingangs beschriebene Ausnahme nicht. Jeder Pfarrer wirkt genauso an den Beschlüssen des Presbyteriums mit wie jeder Presbyter auch. Auf die besondere Stellung des Pfarrers gehe ich in einem späteren Artikel noch ein. Heute ist wichtig, dass das Presbyterium für seine Gemeinde die Verantwortung trägt für die lautere Verkündigung des Wortes Gottes, für die rechte Verwaltung der Sakramente und für die Seelsorge und Diakonie, für den missionarischen Dienst, für die Förderung der Kirchenmusik sowie für die christliche Erziehung und Bildung in der Gemeinde. Das Presbyterium stellt Mitarbeiter ein und übt die Dienstaufsicht aus. All diese Aufgaben bündeln sich in der Person der/des Vorsitzenden. Das kann ein/e Pfarrer/in sein oder ein/e Presbyter/in. Wichtig ist, dass alle gemeinsam die Verantwortung für die Erfüllung der vielfältigen Aufgaben tragen. Dazu gehört auch die Kontrolle über Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung wie die Diakonie in der Gemeinde und all die anderen Aufgabengebiete. Da scheint ein Missverständnis vieler Briefschreiber zu liegen: Der Pfarrer ist nicht die Gemeinde! In der Regel ist er auch froh, dass das so ist. Doch darüber das nächste Mal mehr, wenn es um das Wirken des Presbyteriums geht.

Zwei Fragen bleiben noch zu klären: Zunächst: Wie kann etwas in der Kirche weniger schädlich sein, das für den Staat großen Schaden anrichtet?

3.6 Dienstgemeinschaft und Demokratie

Wenn wir die bisher im Gemeindebrief abgedruckten Artikel nachlesen, stellen wir fest, dass das Verhältnis Gottes zu den Menschen nicht auf demokratischer Grundlage beruht, sondern auf der Liebe, die Gott den Menschen zuwendet. Die Kirche spricht von der Dienstgemeinschaft, in der die Christen stehen, wenn sie Gottes Liebe in dieser Welt verbreiten. Demokratie als Staatsform und demokratische Grundregeln in der Gesellschaft haben sich bisher als die geeignetsten Formen zur Lösung der Probleme im Zusammenleben der Menschen in unserer Zeit erwiesen. Wenn sie außer Kraft gesetzt werden, nimmt die Gesellschaft Schaden. Das gilt insofern auch für das Zusammenleben der Menschen in der Kirche. Anders ist es, wenn Gottes Liebe ins Spiel kommt. Dann kann man wohl hoffen, dass menschliche Unvollkommenheit, wie z. B. mangelnde Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen, Wahlmüdigkeit, Trägheit der Herzen, aufgewogen werden durch das hohe Maß an Einsatzbereitschaft anderer. Dann verstehen wir die Regelung des Kirchenrechts und können uns wohl auch damit anfreunden. Die beste Lösung ist es nicht, denn jedes Recht, das in einer demokratischen Gesellschaft nicht in Anspruch genommen wird, schadet der Gesamtheit.

3.7 Presbyterial-synodale Ordnung

Als zweite Frage stellt sich die Zukunft des presbyterial-synodalen Aufbaus unserer Landeskirche. Er ist neuerdings wieder einmal in Frage gestellt – und zwar mit einleuchtenden Gründen. Immer weniger Gemeinden kommen mit ihren Kräften über die Runden. Was läge näher, eine rein synodale Ordnung anzustreben. Ich habe Bedenken dagegen. Gemeinden können Zweckverbände bilden, sie können sich zusammenschließen – es gibt mancherlei Möglichkeiten, Kräfte zu bündeln, die als Einzelkraft zu schwach sind. Die presbyterial-synodale Ordnung aufzugeben würde nach meiner Auffassung aber einen Rückschritt bedeuten auch in der demokratischen Legitimation unserer Kirche im 21. Jahrhundert.

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