Freitag, 26. Februar 2016

8. Gemeindepfarrer/in – die „eierlegende Wollmilchsau“? (2)

Über Erwartungen und Anforderungen, denen sich ein Pfarrer/eine Pfarrerin im Gemeindeamt gegenüber sieht, habe ich im letzten Gemeindebrief (3/2007), S. 8-13) berichtet. Heute geht es um die Grundlagen des Amtes in Bibel und geltendem Recht.

1. Die Bibel, Jesus und Petrus
Schon im ersten Artikel (Gemeindebrief 3/2005, S. 13) berichtete ich vom ältesten christlichen Glaubensbekenntnis, das uns über Petrus überliefert ist (Mt. 16,16; Mk 8,29; Lk 9,20). Die Geschichte hat eine Fortsetzung. Jesus sagt zu Petrus: „ … ich sage dir, du bist Petrus, und auf diesem Felsen will ich meine Gemeinde bauen und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreiches geben: alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.“ Von katholischer Seite wird in Verbindung von Lk 22,32 und Joh. 21,15 ff mit diesen Text die Vorrangstellung des Papstes als Nachfolger des Petrus in seiner Funktion als Bischof von Rom und Leiter der Weltkirche mit Schlüsselgewalt begründet („Neue Jerusalemer Bibel“, Freiburg, 12. A. 1985, S. 1406, 1498, 1548). Wir Evangelische sehen die Sache etwas anders. Zunächst erscheint fraglich, ob Jesus diese Aussprüche in dieser Form auch tatsächlich geäußert hat. Es besteht die Vermutung, dass diese konkreten Akzente erst später bei Abfassung des Evangeliums hinzugesetzt wurden. Die Evangelien wurden erst 70 nach Chr. Verfasst. Bereits um die Jahre 50/60 herum aber fand das Apostelkonzil in Jerusalem statt, auf dem es zu einer Kontroverse zwischen Petrus und Paulus kam (Apg 15). Man darf vermuten, dass hier bestimmte Interessen durch die Autorität des Jesuswortes gefördert werden sollten. Über „das Amt“ in der Kirche wird seither gestritten und werden Bücher veröffentlicht. Auf diese Erörterungen lasse ich mich nicht ein. Das ist Sache der Theologen. Für uns ist aber wichtig, dass auf der Grundlage der Sonderposition alle Bischöfe und Pfarrer (Priester) der römisch-katholischen Kirche in gleicher Weise begeht erscheinen, weil sie durch Handauflegen und Segnung in die unmittelbare Nachfolge des Petrus berufen sind. Aus dieser Sicht ergibt sich die Sonderstellung des Priesters („Priesterweihe“) in der katholischen Kirche. Anders sieht es in der evangelischen Kirche aus.

2. Jesus Gemeinde
Ich beziehe mich auf zwei Kernstellen, das dreifache Liebesgebot gegenüber Gott, unserem Nächsten und gegenüber unseren Feinden (Mt. 22,34-40; Mk 12,28 – 34; Lk 10,25-28; Mt 43-48; Lk 6,27-28 und 32-36) und auf den so genannten „Missionsbefehlt“: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Will der Schriftgelehrte, der Jesus nach dem größten Gebot fragt, ihn versuchen oder fragt er aus ernsthaftem Interesse? Bei Matthäus wissen wir es nicht, können aber eher das erste vermuten. Bei Markus ist es anders. Hier endet das Gespräch mit Jesus Feststellung gegenüber dem Fragensteller: „Du bist nicht fern vom Reich Gottes.“ Hier gehört er also auch zur Gemeinde Jesu. Das Gebot der Feindesliebe erwähnt Jesus in der Bergpredigt vor einer großen Menge, die ihm nachgefolgt ist aus weiten Bereichen des Landes und jenseits der Grenzen. Sie sind seine Gemeinde. Das dreifache Liebesgebot ist also Grundlage und Ausgangspunkt für jeden Christen, der Jesus nachfolgen will. Das ist dann also auch die Grundlage für jeden, der das Amt des Pfarrers/der Pfarrerin anstrebt.

3. Jesu Jünger
Im letzten Kapitel seines Evangeliums berichtet Matthäus von der letzten Zusammenkunft der Jünger mit Jesus. Der so genannte „Missionsbefehl“ sind die letzten Worte Jesu in diesem Evangelium. Man hat diese Worte „Missionsbefehl“ genannt In den Jahrhunderten danach sind sie auch als Befehl aufgefasst worden – leider oft auch als Befehl, Krieg zu führen, Menschen zu verfolgen und zu foltern, sie mit Gewalt zu „missionieren“. Dabei kann dieser Auftrag an seine Jünger nur bedeuten, sich mit Liebe den Menschen zuzuwenden, ihnen das Wesen des christlichen Glaubens nahe zu bringen und dann, wenn sie es wünschen, sie zu taufen. Wie in vielen anderen Fällen, hat sich auch hier die Überzeugung gebildet, dass im Sinne der Gemeinde Jesu nicht nur die Jünger sondern alle getauften Christen diesen Auftrag erfüllen müssten. Die Jünger stehen in diesem Fall für all jene, die ihrer Verkündung folgen und sie zum Glauben bringen.

4. Paulus
Wenn wir in der Bibel nach weiteren Grundlagen für das Pfarramt in der Kirche suchen, dann finden wir sie einmal in den Briefen des Apostels Paulus insbesondere an die Christen
in Korinth und an die Galather. Paulus war der Baumeister der christlichen Kirche. Er hat die Botschaft Christi in die damals bekannte Welt hineingetragen. Er hat seine Boten gesandt. Man kann ihm nicht jeder seiner Auffassungen folgen, aber Kern seiner Botschaft hat die Jahrhunderte überdauert. Hier liegt die Kraft der Liebe Christi, die die ganze Welt durchdringt. Das alles ist vermutlich nicht, was Sie als biblische Grundlage für das evangelische Pfarramt erwartet haben. Aber Jesus war Jude und gehörte in die Synagoge. Es gab
keine christliche Kirche. Sie entstand erst in den Jahren nach Christi Tod und Auferstehung. Aus theologischer Sicht ist die christliche Kirche Pfingsten entstanden (Apg. 2,3e8 ff). Historisch, so möchte ich meinen, entstand die Kirche Christi im Verlauf der Jahrhunderte danach – in den Jahren der Verfolgung und des Lebens im Untergrund, in den Jahren der
Verbreitung über die ganze damals bekannte Welt. Sie wissen: Es entstand die katholische Kirche. Christus wollte den Juden seine Botschaft und ihre Rettung verkünden, Paulus hat über die Grenzen Palästinas hinaus in Griechenland, ja in Rom selbst christliche Gemeinden gegründet. Martin Luther schließlich hat die Bibel als zentrale Zeugnis christlichen Glaubens wieder in ihr Recht gesetzt. Die Tradition der katholischen Kirche hatte sie fast zugedeckt. Dazu gehört die Tradition der geweihten Priester. Im zweiten Teil des Artikels über das Presbyteriums habe ich Martin Luther mit seiner Feststellung zitiert, „ … das kann niemand leugnen, dass jeder Christ Christ Gottes Wort hat und von Gott gelehrt und zum Priester gesalbt ist“ (Martin Luther „Das eine christliche Versammlung oder Gemeinde Recht und Macht habe, über alle Lehre zu urteilen und Lehrer zu berufen, ein- und abzusetzen, aus der Schrift begründet und nachgewiesen“, 1523). Wir sehen also, für den evangelischen Pfarre gilt nach den Aussagen der Bibel zunächst, was für alle Christen gelten soll: Das dreifache Liebesgebot und die Aufforderung, Christi Botschaft überall in der Welt zu verbreiten, die Menschen zu taufen und sie anzuhalten zu treuen Christen zu werden (so genannter „Missionsbefehlt“). Warum schreibe ich so umständlich? Die Stellung des Pfarrers ist vielen Missverständnissen ausgesetzt – insbesondere in katholisch geprägten Gegenden. Ein evangelischer Pfarrer ist ein Mensch wie jeder andere. Er hat keine besondere Weihe, die ihn vor anderen hervorhebt. Er hat seinen Beruf ergriffen wie jeder andere Mensch auch – wir alle hoffen, aus Neigung – und er hat seine anspruchsvolle Ausbildung erfolgreich abgeschlossen, bevor er ein Pfarramt übernehmen kann. Das Herausragende an ihm ist, dass dieser Beruf besondere Anforderungen an ihn stellt.

Ein Pfarrer ist für Menschen da, die ihn besonders in Grenzsituationen brauchen, in denen es oft um Leben und Tod geht. In dieser Hinsicht ist er mit einem Arzt zu vergleichen. Der Pfarrer oder die Pfarrerin sollen etwas aussagen darüber, was nach dem Tod kommt. Sie können das aber nur nach der Schrift. Bei dieser schwierigen Aufgabe sind auch die Pfarrer/-innen auf Hilfe und Beistand angewiesen. Für den Gemeindepfarrer/die Gemeindepfarrerin ist das das Presbyterium, dann der Superintendent, der Seelsorger für alle Ordinierten im Kirchenkreis ist. Das ist nach den Worten Luthers auch folgerichtig. Eine solche Unterstützung kann aber nicht öffentlich erfolgen. Sie muss vertraulich geschehen, wie jede Einzelfallseelsorge. Ich fasse zusammen: Aus biblischer Sicht ist der Pfarrer wie jeder andere Christ aufgefordert, dem dreifachen Liebesgebot zu folgen und den Auftrag zu erfüllen, die Lehre, die Botschaft Jesu in aller Welt zu verbreiten und die Menschen zu taufen, die es wollen. Wir stehen also alle auf gleicher Ebene. Ein Pfarrer unterscheidet sich anderen Gemeindemitgliedern gegenüber dadurch, dass er einen anspruchsvollen Beruf gewählt hat, ein vielseitiges, zeitraubendes Studium abgeschlossen und seine Berufsausbildung erfolgreich durchlaufen hat. Das alles aber hat mehr mit der Kirche als mit der Bibel zu tun.

5. Die Kirche
Kirche (gr. kyriaké) ist in seiner Bedeutung als „dem Herrn gehörendes Haus“ erst seit dem 4. Jahrhundert nach Christus bekannt und bezeichnet ein christliches Gotteshaus. Erst im späteren Verlauf hat sich die Bedeutung auf christliche Religionsgemeinschaften erweitert. Heute sind Kirchen in diesem Sinne christliche Religionsgemeinschaften, die sich eine Verfassung gegeben haben. Die Evangelische Kirche im Rheinland - EKiR – hat sich mit ihrer „Kirchenordnung“ - KO – eine solche Verfassung gegeben. Dort heißt es „Die Evangelische Kirche im Rheinland, ihre Kirchenkreise, Kirchengemeinden und die von ihnen gebildeten Verbände sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Sie verwenden ihr Vermögen und ihre Einnahmen nur für kirchliche Zwecke – Art. 3 Abs. 3 KO -. Bereits im ersten Teil meines Beitrages über das Presbyterium (Gemeindebrief 2/2006) habe ich von 24 Landeskirchen gesprochen, die sich in der Evangelischen Kirche in Deutschland – EKD – zusammengefunden haben. Wir können die Landeskirchen mit den Bundesländern vergleichen und die EKD mit der Bundesrepublik. Es gibt innerhalb der EKD einige Vereinigungen nach dem jeweiligen Bekenntnisstand der Landeskirchen. Die EKiR gehört zu „Union Evangelischer Kirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland - UEK -. Auch sie ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Damit betreten wir das Gebiet des Kirchenrechts.

6. Kirchenrecht
Vorab eine allgemeine Erfahrung: Wenn alles klappt, braucht man keine Verträge, Verordnungen, Gesetze oder Kirchenordnungen. Erst dann, wenn etwas schief läuft, muss man sich auf all dies einlassen. Unkenntnis schützt vor Strafe nicht. Deshalb ist es gut, Rechtsgrundlagen für das eigene Arbeitsgebiet in de Grundzügen bereits vorher zu kennen. Das Recht der Pfarrerinnen und Pfarrer ist in den Artikeln 49 bis 63 KO sowie im Pfarrerdienstgesetz von 1996 - PFDG – der UEK geregelt. Dieses Gesetz erklärt eindeutig den Zweck dieser gesetzlichen Regelungen: Jesus Christus hat seiner Kirche den Auftrag zu Zeugnis und Dienst in der Welt gegeben. Den Auftrag zur öffentlichen Verkündigung des Wortes Gottes und zur Verwaltung der Sakramente erteilt die Kirche durch Ordination. Die Wahrnehmung dieses Auftrages findet in den Bestimmungen über Amt und Dienst der Pfarrerinnen und Pfarrer eine rechtlich geordnete Gestalt. Die Pfarrerinnen und Pfarrer stehen in einem öffentlichrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis zu ihrer Kirche – und zwar auf Lebenszeit - $ 2 PfDG -. Sie sehen, es handelt sich um ein beamtenähnliches Dienstverhältnis. Wie der Staat aber für herausragende Aufgabenfelder auch besondere Dienstgesetze erlässt, für die Richter das Richtergesetz oder für Soldaten das Soldatengesetz, so erlässt die Kirche diese PfDG für Pfarrerinnen und Pfarrer. Sie sind als Mitglied des Presbyteriums an der Leitung der Kirchengemeinde beteiligt. Ihre Amtspflichten werden im Einzelnen durch eine vom Presbyterium aufgestellte und von der Kirchenleitung genehmigte Dienstanweisung geregelt – Art. 49 KO -. Hier wird zweierlei deutlich. Presbyterium, also die Gemeinde, legt die Amtspflichten des Pfarrers fest. Andererseits genehmigt die Kirchenleitung die Dienstanweisung. Pfarrerinnen und Pfarrer stehen in einem Dienst- und Treueverhältnis zur Landeskirche, werden aber vom Presbyterium gewählt, sind dem Presbyterium gegenüber verantwortlich für die Erfüllung ihrer Amtspflichten, ihr Dienstvorgesetzter aber ist der Superintendent, der Vorsitzende der Kreissynode und ihres Handlungsorgans, des Kreissynodalvorstands. Außer ihrer Dienstpflicht gegenüber ihrer Kirchengemeinde sind die Pfarrerinnen und Pfarrer der gesamten Kirche zum Dienst verpflichtet. So können ihnen auf kreis- und landeskirchlicher Ebene zusätzliche Aufgaben übertragen werden - Art. 50 KO -.

Ganz wichtig ist die Selbstständigkeit der Pfarrerinnen und Pfarrer in der Verkündigung und in der Seelsorge. Hier haben Presbyterium und Superintendent begrenzte Einwirkungsmöglichkeiten – aber immer dann, wenn die kirchliche Ordnung verlassen wird - Art. 51 KO -. Ich hoffe, es wird etwas von der schwierigen Situation eines Gemeindepfarrers im kirchlichen Dienst deutlich. Es ginge zu weit, jetzt einzelne Bestimmungen aufzuführen. Wir werden beim nächsten Mal die Praxis untersuchen unter den Gesichtspunkten Gemeindepfarrer und sein Amt, der Gemeinde und am Presbyterium (Gemeindepfarrer/in - eine „eierlegende Wollmilchsau?“ (3).

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen